Titel: Höher als der Himmel

Autor: Lily
Kategorie: Nachdenkliches, Poesie
Rating: ab 6
Anmerkungen: Ein Songficlet zu "Dark Chest of Wonders" von Nightwish.
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Disclaimer: Personen und Orte gehören Tolkien, die Texte gehören Nightwish, Idee und Ausführung gehören mir.

Inhalt: Ein Gespräch an den Ufern Valinors

Höher als der Himmel

Once
I had a dream
And this is it


Allein steht er dort am Ufer, am Strand, und blickt gen Osten.
Vor seinen Augen tanzen glitzernd die sternbeschienenen Wellen der See. Tiefblau wie der klarste Saphir erstreckt sich der Ozean bis zum Horizont, geht unmerklich in einen Nachthimmel über. Soeben geht der Mond auf und bringt Alqalonde, die Stadt aus Silber und Perlen, zum Leuchten wie einen Stern. Fischer laufen aus dem Hafen aus, schimmernd die Segel ihrer Schiffe im Mondlicht, Tag um Tag, Jahr um Jahr, Ewigkeit um Ewigkeit. Schon seit Urzeiten taten sie dies und sie werden es tun, solange die Zeit dahinströmt wie ein mächtiger, ruhiger Fluss und solange die Sonne aufgeht am Himmel. Solange es die Gezeiten gibt, die kommen und gehen seit jeher, Muscheln und Sand mit sich bringen, nur um sie wieder mit sich zu nehmen in die Tiefe. Solange der Wind weht über den Weiten dieser Lande, den Geruch von Blumen herbei trägt, Wolken vor einem Sommergewitter und Kälte vor einem Schneesturm.
Allein steht er dort am Ufer, in der Stille der Nacht, blickt nach Mittelerde.
Ich glaube nicht, dass er mich bemerkt hat; zu sehr ist er versunken in seinen Gedanken, in Erinnerungen an die Träume, die er einst hatte.
Denn heute träumt er nicht mehr.

Once there was a child's dream
One night the clock struck twelve
The window open wide


In Erinnerung an die Träume, die er einst hatte.
Denn heute träumt er nicht mehr.
Er wollte wandern, das Land verlassen, in dem er lebte seit seiner Geburt, das er beinahe so gut kannte wie sich selbst. Goldene Felder, grüne Wiesen beschienen vom Sonnenlicht, dieses friedliche, unbedarfte Leben, das keine Wünsche und Sehnsüchte offen ließ. Tiefe Zufriedenheit und gemütliches Glück erfüllten die Herzen seiner Bewohner, schon seit Anbeginn ihrer Existenz. Er wollte wandern, dieses Land verlassen, die Welt sehen und all die Wunder, die sie zu bieten hatte. Dies war sein Traum.
Der Wunsch eines Kindes von großen Abenteuern, die es zu bestehen gilt. Gleichzeitig war er immer klug genug zu wissen, dass es niemals geschehen würde, dass nicht alle Träume wahr werden.
Bis zu jener schicksalhaften Nacht, in der ich plötzlich hervorsprang aus dem Dunkel, in das ich Jahre zuvor verschwunden war. Die Nacht, in der ich zurückkehrte in sein schönes, beschauliches Leben und ihn hineinzog in ein Abenteuer - so, wie er es sich immer gewünscht hatte.
Doch sein eigenes Abenteuer sah ganz anders aus, als jene aus seinen Träumen.

Once there was a child's heart
The age I learned to fly
And took a step outside


So, wie er es sich immer gewünscht hatte.
Doch sein eigenes Abenteuer sah ganz anders aus, als jene aus seinen Träumen.
Er kannte all die Geschichten, die Bilbo und ich ihm erzählten, von Helden und Schurken, vom Lauf der Welt. Doch dieses Mal war alles anders - dieses Mal sollte er selbst der Held sein, obwohl er, im Nachhinein, lieber nur ein stiller Zuhörer geblieben wäre. Denn für das Heldentum war und ist er wahrlich nicht geschaffen. In dieser Nacht geschah es zum ersten Mal, dass er einen entscheidenden Schritt tat - einen Schritt hinaus aus dem Frieden, hinein in eine Welt, die er nur aus Geschichten kannte und nun selbst entdecken würde. Es ist gefährlich, einen Schritt aus seiner Tür heraus zu treten - wenn man nicht aufpasst, weiß man nicht, wo man sich wieder finden wird.
Heute ist all das, was damals geschah, lang vergangen - doch unvergessen. Allein steht er dort am Ufer, am Strand, und blickt gen Osten. Gedanken lesen kann ich nicht, doch glaube ich zu wissen, dass er sich wünscht die Zeit zurückdrehen zu können. Am liebsten würde er dem blassen Mondlicht folgen, zurück in die Vergangenheit... um alles anders zu machen.

Once I knew all the tales
It's time to turn back time
Follow the pale moonlight


Am liebsten würde er dem blassen Mondlicht folgen, zurück in die Vergangenheit... um alles anders zu machen.
Aber die Töne, mit denen die Valar sich die Welt ersangen, verklangen vor langer Zeit. Das Lied ist gesungen, niemand vermag es mehr, seine Melodie zu ändern... dies ist es, was er endlich begreifen muss - solange er auch hier steht im silbernen Schein des Mondes, solange er sich auch wünscht, zurückkehren zu können in sein unbedarftes Leben - kein Weg führt in die Vergangenheit. Es war Zufall, der ihn an diesen Punkt brachte, hier am Strand - es war Unglück, Bestimmung, vielleicht sein Glaube daran, etwas Richtiges zu tun, etwas, das wirklich wichtig ist. Im Nachhinein zählen keine Gründe - im Nachhinein zählt nur, dass er hier ist und dass es kein Zurück mehr gibt.
Er muss es begreifen, oder er wird niemals zurückfinden in ein zufriedenes Leben... alle Zeitalter dieser Welt verbringen mit dem Gedanken... was wäre, wenn. Er muss begreifen, dass es an der Zeit ist, dieses Band zu durchtrennen, das ihn schon viel zu lange fesselt an Mittelerde und an die Vergangenheit.

Once I wished for this night
Faith brought me here
It's time to cut the rope
And fly


Er muss begreifen, dass es an der Zeit ist, dieses Band zu durchtrennen, das ihn schon viel zu lange fesselt an Mittelerde und an die Vergangenheit.
"Es ist Zeit zu vergessen, Frodo. Was geschah, ist geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen, gleich wie lange du hier stehst und es dir wünschst. Es kann keine Zukunft für dich geben, solange du in der Vergangenheit weilst. Vergiss die Bilder der Finsternis vor deinen Augen und verlasse Mittelerde, endgültig, lass deine Seele fliegen zu einem Traum der ewigen Glückseligkeit, über das Meer in den Westen... vergiss die Bürde, die der Ring dir auferlegte. Zu lange ist es her, dass ein Lächeln dein Gesicht erhellte, zu lange verloschen der Funke des Lebens in deinen Augen. Entdecke wieder, was es heißt, ein unbedarftes Kind zu sein, zu wünschen, Wunder und Träume zu entdecken..."
Er sieht mich an, Tränen glitzernd in seinen Augen, das Funkeln der Sterne über dem dunklen Meer schillernd darin.
"Wie könnte ich. Nichts als Dunkelheit und Feuer liegen vor mir, sobald ich die Augen schließe. Dieser Himmel ist für immer dunkel für mich, das Meer kalt, die Wiesen grau, Gandalf..."
"Das glaubst du, mein lieber Frodo. Das glaubst du... du meinst, die Welt wird nie mehr erfüllt sein von Licht für dich. Doch lass dir eines gesagt sein... Träume sind höher als der Himmel und weiter als dieses Meer. Schaue dahinter, hinter die Dunkelheit, die Wolken - dort scheint immer noch die Sonne... und sie wird es immer tun, solange die Zeit fließt. Es sind immer noch Träume und Wunder in dieser Welt, gleich wie dunkel und trist sie scheinen mag - du musst nur darüber hinaussehen, und du wirst sie finden."

Fly to a dream
Far across the sea
All the burdens gone
Open the chest once more
Dark chest of wonders
Seen through the eyes
Of the one with pure heart
Once so long ago

Ende

(c) 2005 by Lily

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