Titel: Tränensilber

Autor: Vilyana
Kategorie: Nachdenkliches, Dramatisches
Rating: ohne Altersbeschränkung
Anmerkungen: Danke an Drachenfee fürs Betalesen!
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Disclaimer: Gehört alles Tolkien.

Inhalt: Celebríans Gedanken über Arwen, nachdem sie erfahren hat, dass diese sterblich geworden ist.

Tränensilber

Wie lange habe ich auf diesen Tag gewartet? Wie lange? Ich kann es nicht sagen, ich weiß es nicht. Aber nun ist der Tag da, doch nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich war froh, Elrond endlich wieder zu sehen. Ich war froh, meine Mutter wieder zu sehen. Doch dich habe ich nicht gesehen. Und nun weiß ich, dass ich dich nie wieder sehen werde. Dass du nie kommen wirst, egal wie lange ich warten werde.

Ich habe euch alle vermisst, doch keinen so wie dich, und doch bist du es, die ich nie wieder sehen werde. Ich wurde verwundet, ich segelte fort, für mich gab es nur noch Schmerz in Mittelerde. Ich hatte gehofft, dass du mir eines Tages folgen würdest. Ich hatte zwar gewusst, dass du dich vielleicht eines Tages für die Sterblichkeit entscheiden könntest, aber doch hatte ich nicht damit gerechnet, dass du es wirklich tun würdest, ich sah keinen Grund dafür. Warum sollte man sich schon für den Tod entscheiden, wenn man Aussicht auf ein unsterbliches Leben hat? So nahm ich dich nicht mit nach Valinor, sondern ließ dich in Mittelerde, schließlich warst du dort immer glücklich gewesen und ich dachte, du würdest noch lange genug hier in Valinor leben. Ich überließ dich der Obhut deines Vaters und meiner Mutter und ich hatte fest damit gerechnet, dass ich dich nun mit ihnen wieder sehen würde. Doch du bist nicht da und wirst nie kommen.

Hätte ich damals in Mittelerde bleiben sollen? Nein, ich hätte es nicht gekonnt. Ich hatte nicht die Kraft dazu. Valinor war meine einzige Hoffnung. Es war nicht einfach, euch alle zu verlassen, doch ich glaubte zu wissen, dass ich euch alle wieder sehen würde, dass dies noch nicht das Ende war. Ein Fehler. Doch wie hätte ich es damals erahnen können? Du siehst zwar aus wie Lúthien, doch ich glaubte nicht, dass du ein ähnliches Schicksal haben würdest. Ich habe diese Möglichkeit verdrängt, wollte gar nicht erst daran denken. Ich hatte gehofft, nie daran erinnert zu werden. Und nicht einmal du selbst wusstest es damals.

Aber nun hast du deine Entscheidung getroffen. Du bist sterblich geworden. Wir sind getrennt, für immer, über das Ende der Welt hinaus. Ich werde dich nie wieder sehen. Ich konnte mich nicht einmal von dir verabschieden. Es war ein schmerzlicher Abschied zwischen dir und deinem Vater, doch er konnte sich von dir verabschieden, ich konnte es nicht und werde es auch nie tun können. Und doch empfinde ich den gleichen Schmerz. Was würde ich dafür geben, dich noch einmal zu sehen? Wäre der Abschied auch noch so schmerzlich gewesen, ich kann mir nicht vorstellen, dass es schlimmer sein könnte als das.

Bist du glücklich mit deinem Leben? Ich hoffe es. Ich will nicht, dass es dir so geht wie mir. Vielleicht kannst du den Menschen neue Hoffnung geben. Vielleicht werden sie glücklich. Ich werde nie wieder so glücklich sein wie damals... Zwar werde ich jetzt wo dein Vater da ist nicht mehr so alleine sein wie früher, aber doch werde ich den Kummer nicht los, dass ich dich nie wieder sehen werde.

Wie oft habe ich an dich gedacht, als ich alleine durch Valinor ging. Ich habe mir gewünscht, dass du hier bist. Ich hatte gehofft, dass es nicht mehr lange dauern würde, dass du bald kommen würdest. Doch du kamst nicht. Du wirst nie kommen, egal, wie lange ich warten werde. Ich werde weiterhin an dich denken, wenn ich diese Wege gehe, doch ich werde nicht mehr voll Hoffnung an dein Kommen denken, ich werde mich nur noch erfüllt von Kummer und Schmerz an dich erinnern.

Ich sehe dich noch vor mir, so wie du warst, als ich in den Westen segelte. Ich weiß noch, wie traurig du damals warst, weil ich fortging. Auch du dachtest damals, dass es keine lange Trennung sein wird. Ich hatte dir versprochen, dass du mich bald wieder sehen würdest. Wie konnte ich damals wissen, dass ich dieses Versprechen unmöglich würde halten können? Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich für immer von dir getrennt sein könnte, ich habe es nicht erwähnt, ich hielt es für überflüssig, und schließlich war ich überzeugt, du würdest dich nie so entscheiden.

Erinnerst du dich noch an damals? Erinnerst du dich noch an diese Zeit? Oder ist dein Blick nur noch auf die Zukunft gerichtet? Ich kann mich noch an dein Lachen erinnern, das ich nie wieder hören werde außer in meiner Erinnerung... Ich weiß noch, wie du als kleines Kind warst, in deinen ersten Lebensjahren. Ich kann mich noch genau an dein Gesicht erinnern, als du zum ersten Mal nach Lórien kamst. Wie glücklich du dort warst.

Doch dann bin ich fortgegangen und du bliebst dort. Und es gibt kein Schiff, nichts, was mich noch einmal zu dir zurückbringen könnte nach Mittelerde. Und irgendwann, schon sehr bald für die Elben, wirst auch du diese Welt verlassen, und dann wirst du dort sein, wohin dir niemand von meinem Volk folgen kann. Ich werde nicht wissen, wie es dir dann geht. Doch ich hoffe, dass du glücklich bist. Ich kann nichts mehr daran ändern, doch ich will nicht, dass du trauerst in der kurzen Zeit, die dir noch geblieben ist.

Auch wenn ich weiß, dass ich dich nie wieder sehen werde.

Ende

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