Titel: Der Widersacher

Autor: Wolfgang Hohlbein
Kategorie: Horror

Der Widersacher

von Wolfgang Hohlbein

Auf der Suche nach einer Tankstelle stoßen der Versicherungsvertreter Brenner und die junge Anhalterin Astrid auf ein seltsames, uraltes Kloster, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Doch allzu schnell holt sie die Gegenwart ein. Über ihren Häuptern bricht ein flammendes Inferno aus, als ein arabischer Terrorist und die US-Luftwaffe sich ein letztes Gefecht liefern. Danach geschehen Zeichen und Wunder: Menschen, die Brenner verglühen sah, sind noch am Leben, und ein unheimlicher Priester enthüllt ihm die unglaubliche Kunde, dass das Ende der Welt angebrochen ist und der Widersacher nun auf Erden wandle.

(Klappentext aus "Der Widersacher" von Wolfgang Hohlbein, Bastei Lübbe 1997)

"Der Widersacher" ist ein Buch, an dem sich die Gemüter spalten. Todlangweilig und verworren meinen die einen, spannend meinen die anderen. Ich zähle mich zu beiden Gruppen. Das Buch hat unbestreitbar mehr als eine Passage, die sich hinzieht - besonders am Anfang muss man sich ein wenig quälen - aber nach und nach wurde ich immer tiefer in die Geschichte hineingezogen, in das ständige Rätselraten, was zum Teufel eigentlich los ist, so dass ich schlussendlich einfach wissen musste, wie es ausgeht.

Angetan haben es mir die verschiedenen Charaktere und deren langsame, nicht sofort offensichtliche Wandlung sowie ihre Reaktion auf die Veränderung ihrer Umgebung. Besonders bemerkenswert ist das ungleiche Trio aus Brenner, dem arabischen Terroristen Salid und dem Geistlichen Johannes, die sich zusammen ihren Weg durch die anstehende Apokalypse suchen, ohne zu wissen, welche Rolle sie darin spielen werden.

Das Buch vermittelt eine sehr subtile Art von Horror - die Art Horror, der einen dazu veranlasst, doch noch mal in allen Ecken des Zimmers nachzusehen, bevor man schlafen geht, die Art Horror, die einen bei kleinen Geräuschen nervös werden und einen Blick über die Schulter werfen lässt.

Nicht zuletzt wegen der absolut überraschenden Auflösung am Ende des Romans gehört "Der Widersacher" unbestreitbar zu meinen Lieblingsbüchern. Zum ersten Mal las ich das Buch mit dreizehn Jahren; als ich es vor wenigen Wochen erneut zur Hand nahm, erinnerte ich mich an nichts mehr, nicht an die Handlung, nicht an die Personen - aber ich wusste noch, wie das Buch ausging, und ich wusste noch, welche Wirkung es auf mich gehabt hatte... denn als ich es damals zum ersten Mal zu Ende gelesen hatte, bin ich erst einmal aufgestanden und habe alle verfügbaren Lichter angedreht. Nach dem Lesen dieses Buches sieht man sich jeden Schatten zweimal an.

Leseprobe:

Brenner streckte ganz automatisch die Hand nach dem Treppengeländer aus, um sich daran festzuhalten, besann sich im letzten Moment darauf, was mit dem Türrahmen oben geschehen war, und griff nur sehr behutsam zu. Trotzdem zerfiel das Geländer unter seinen Fingern zu einer klebrig-feuchten Masse, und diesmal war es keine Einbildung - er konnte sehen, wie etwas daraus hervorkroch und mit raschen, abgehackt wirkenden Bewegungen davonhuschte. Es verschmolz schon nach einer Sekunde mit den Schatten, aber Brenner hatte einen deutlichen Eindruck von etwas Winzigem, Dunklem mit zu vielen Beinen und glitzernden Augen. Und einem Stachel.
Angeekelt trat er einen Schritt zurück und wischte sich die Finger an der Wand auf der anderen Seite ab.
Er konnte spüren, wie sie vibrierte.
Etwas bewegte sich.
Kroch.
Unter der Tapete.
Und nicht nur dort. Ganz plötzlich wurde ihm klar, dass die Bewegung tatsächlich überall spürbar war; im Boden, in den Wänden, hinter den gesprungenen Holzvertäfelungen und in den Treppenstufen, selbst in der Dunkelheit, die das untere Ende der Treppe verschlungen hatte.
"Irgend etwas... stimmt hier nicht", sagte er. "Da... ist etwas."

Wolfgang Hohlbein - Der Widersacher
Bastei Lübbe Verlag, 1997
ca. 510 Seiten


Geschrieben von: Lily

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