Laurea Earenya

Kapitel 2: Alqalonde

So viele Jahre.
So viele Jahre der Sehnsucht zehrten an seinem Herzen.
Und endlich, endlich konnte er ihr nachgeben. Er hatte Mittelerde verlassen, um endlich wieder Frieden finden zu können nach allem, was geschehen war. Vielleicht auch, um besser mit dem dunklen Schleier der Trauer fertig zu werden, der sich über sein Gemüt gelegt hatte.
Auf glänzenden blauen Wellen näherte er sich beständig seinem Ziel. Er spürte einfach, wie dieser ersehnte Friede näherkam, den er so lange vermisst hatte. Seitdem er zum ersten Mal den Schrei der Möwen gehört hatte, zum ersten Mal das Meer erblickte. Ewigkeiten schien er ihm her zu sein, dieser letzte Tag, an dem sein Herz noch ruhen konnte unter Buchen und Eichen.
Wie lang war es her, seit er zum letzten Mal die Sonne gesehen hatte, die über den weiten Landen Mittelerdes aufging? Wann sah er zum letzten Mal die weiße Stadt Minas Tirith? Wann… wann sprach er zum letzten Mal mit Aragorn…?
Legolas spürte, wie eine kalte Hand nach seinem Herzen griff. Immer noch schmerzte der Verlust seines besten Freundes. Niemals, nicht einmal in den Jahrtausenden seines Lebens hätte er gedacht, dass ihm jemand so viel bedeuten könnte. Dass ihm ein Mensch soviel bedeuten könnte. Ein einfacher Mensch. Und dennoch schmerzte sein Verlust. Und damit war es nicht vorbei.
Gimli musste er zurücklassen. Gimli den Elbenfreund, mit dem er so vieles durchgestanden hatte. Schlechte Zeiten, dunkel und voller Furcht, voller Ungewissheit, ob es ein Morgen geben würde. Gute Zeiten, hell und voller Wärme, voller Zufriedenheit über die Schönheit der wieder erwachten Welt. Erinnerungen an die letzten Jahre im schönen, blühenden Ithilien.
Er hätte Gimli mitgenommen, ohne ein Zögern. Doch sie beide hatten gewusst, dass es besser war, wenn sich ihre Wege trennten an dieser Kreuzung ihres Weges. Gimli würde auf Ablehnung stoßen, alles zurücklassen müssen, was er kannte und liebte. Es war besser so, wenn jeder das tat, wonach sein Herz ihm verlangte.
Legolas' Herz hatte von ihm verlangt, in den Westen zu gehen. Die Schönheit und Wunder der Unsterblichen Lande Valinors zu erblicken. Seinem Volk zu folgen, das schon so lange in Mittelerde ausgeharrt hatte, in einer Welt, die nun den Menschen gehörte.
Auf glänzenden blauen Wellen näherte er sich seinem Ziel. Er atmete den vertraut gewordenen Geruch von Salz ein, lauschte dem Schrei der Möwen. Hinter sich hörte er das Murmeln der Elben, die über den Wind und die Strömungen sprachen, über Segel und Tiefgang. Er verstand nicht viel von der Seefahrt, es interessierte ihn aber auch nicht wirklich. Wichtig für ihn war nur, dass er sich mit jedem Tag den Unsterblichen Landen näherte.

"Herr.", sprach ihn ein Elb an. Er klang etwas schüchtern.
Legolas drehte sich lächelnd zu ihm um. "Ja, Amdir?", fragte er sanft.
"Herr, bald wird Aman in Sicht sein.", berichtete er. "Die Luft ist klar. Die Türme von Alqalonde müssten jeden Moment zu sehen sein."
"Ich danke dir." Er wandte sich wieder um, schirmte mit einer Hand die Augen gegen die grelle Sonne ab und hielt ausschauh nach silbernem Glitzern und weißem Leuchten.
Eine frische Brise kam auf und ließ die Stadt immer schneller und schneller näher kommen. Legolas fühlte sich von Licht durchflutet, das Licht der Stadt blendete ihn.
Es war Earenya, der Tag des Meeres. Der Tag, an dem er zum ersten Mal Alqalonde sehen würde. Zum ersten Mal einen Fuß auf den heiligen Boden Valinors setzen würde. Viele weiße Schiffe waren unterwegs, Elben winkten ihnen grüßend zu, als sie durch den einzigen schmalen Durchgang fuhren.
Dann lenkte etwas seinen Blick von der Stadt aus Silber und Perlen ab.
Wird forgesetzt...

Zurück zu Kapitel 1| Zurück