Titel: Never-ending Story

Autor: Lily
Kategorie: Nachdenkliches
Rating: ab 6
Anmerkungen: Inspiriert vom "Herrn der Ringe" und "Never-ending Story" von Within Temptation
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Inhalt: Gedanken über den "Herrn der Ringe" und das Schreiben von Geschichten.

Never-ending Story

Am Anfang war ein Satz.
In anderen Werken ist es eine Geschichte, eine Person, eine Idee: Doch hier war am Anfang ein Satz, geboren aus dem Nichts.
In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit.
Ein paar wenige, unbedeutende Wörter, zusammengewürfelt aus Langeweile, gekritzelt auf einem Blatt Papier - wie so viele Wörter und Sätze, die geschrieben werden, um wieder in Vergessenheit zu geraten, ohne jemals von jemand anderem gelesen zu werden als von dem, der sie schrieb. So viele Gedanken, so viele Sätze, so viele Geschichten werden geschrieben, um niemals gelesen zu werden, um sofort wieder zu verschwinden.
So viele Welten und Lebewesen, Personen und Abenteuer - sie alle beginnen und enden mit einem einzigen Wort.

Wie es sich wohl anfühlt? Zu sehen und zu beobachten, wie die Zeit vergeht, wie die Welt sich ändert und mit ihr all die Lebewesen, die man erschaffen hat...?
Armeen und Königreiche, Leben und Tod. Dies ist alles Teil der Geschichte, die mit einem einfachen, aus dem Nichts geschaffenen Satz begann. In einem Loch im Boden begann eine eigene kleine Welt zu existieren, die doch so viele faszinierte. Ein Satz, so klein und kurz, so unbedeutend - der erste Teil einer Welt, die zu groß geworden ist, um sie jemals ganz erfassen zu können. Der erste Satz einer Geschichte, die niemals vollständig niedergeschrieben wurde - zu viele Kleinigkeiten, zu viele Geschöpfe, zu viel Leben, um es in Worten erfassen zu können. Zu viel Geschichte.
Es kann gefährlich sein, einen Stift und Papier zur Hand zu nehmen - man beginnt zu schreiben und wenn man nicht auf seine Phantasie aufpasst, kann man nicht wissen, wohin sie einen tragen wird. Wenn man nicht aufpasst, verliert man sich in dieser Welt, die man geschaffen hat... wenn man nicht aufpasst, beginnen Personen zu leben, treffen ihre eigenen Entscheidungen, gehen ihre eigenen Wege.
Wie es wohl ist...? Wie es wohl ist, ein Teil seiner eigenen Geschichte zu werden und zu leben mit dem Wissen, dass man nicht der einzige ist? Zu leben mit dem Wissen, dass es unzählige andere gibt, gesichtslose Gestalten, die in der gleichen, kleinen Welt leben - in dieser Welt, die man aus dem Nichts geschaffen hat?

Wir schlagen ein Buch auf und denken, wir werden Zeuge einer Geschichte werden - doch falsch gedacht. Wälder und Wüsten, Flüsse und Seen, Länder und Berge - das alles wird lebendig vor unseren Augen, sobald wir die erste Seite aufschlagen und zu lesen beginnen. Wir denken, wir werden Zeuge einer Geschichte werden - doch wir werden ein Teil von ihr. Und sobald wir ein Teil von ihr sind, wird die Geschichte unendlich. Denn jeder Satz wir lebendig in unseren Köpfen, jeder Satz birgt eine eigene winzige Welt in sich - mit allen Gedanken und Wirrungen, mit allen Gefühlen und allen Facetten eines eigenen Universums.

Wenn man einmal angefangen hat zu schreiben, weiß man nicht, wo es enden wird. Die Geschichte beginnt zu leben und macht sich selbstständig, wenn man nicht aufpasst. Und wenn man schließlich das letzte Wort schreibt, liegen die Anfänge schon wieder im Dunkel, vergessen in dieser wirren Welt aus Phantasie und Ideen.
Doch nicht immer.
In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit.
Am Anfang war ein Satz.

Ende

(c) 2004 by Lily

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