Sand der Zeit

Der zweite Monat

Kapitel 7: Narben

Coruscant, Jedi Tempel, Ratsgemächer

Luke Skywalker, Jedi-Meister aus Überzeugung, beobachtete, wie die übrigen Ratsmitglieder mehr oder minder erschöpft den Raum verließen, teilweise noch in angeregte Unterhaltungen zu zweit oder zu dritt vertieft. Die Sitzung hatte länger gedauert als üblich; Jacen hatte die Ergebnisse der Untersuchungen vorgetragen und die verschiedensten Theorien waren diskutiert worden - zuzüglich zu den üblichen ordensinternen Problemen, die geregelt werden wollten.
Um es zusammenzufassen: Der Rat waren genauso ratlos wie zuvor.

Mara Jade Skywalker streckte sich, ging einige Schritte und drehte sich dann mit einem auffordernden Blick zu ihm um. Müdigkeit schien durch ihre Augen und leise Besorgnis. Sie schien sich unwohl zu fühlen.
Und wenn man es genau sah, war ihm auch etwas unbehaglich zumute.
Er seufzte, tat das mulmige Gefühl als Übermüdung ab und stand auf.
Beziehungsweise: Er versuchte es.
"Luke?", fragte Mara leise und zog die Augenbrauen zusammen. Ihre Stimme schien seltsam weit entfernt zu sein, ihr Gesicht unscharf, verschwommen, wie ein schlecht eingestelltes Hologramm.

"Meister!"
Er spürte, wie Jacen ihn auffing, als seine Knie plötzlich nachgaben und ihm schwarz vor Augen wurde. Scharfer, brennend heißer Schmerz breitete sich in seinem Oberkörper aus, als hätte ihm jemand mit einem Lichtschwert eine tiefe Wunde in die Seite geschlagen. An den Ecken seines Bewusstseins lauerte eine verlockende, schmerzfreie Ohnmacht.
Jacen verstand nicht, woher die Pein stammte, die in tosenden Wellen von dem Meister durch die Macht stürmte, aber er begann dennoch sofort, schmerzunterdrückende und beruhigende Signale zurückzusenden. In Gedanken waren er bereits auf der Suche nach einem Grund für den plötzlichen Zusammenbruch.
Es dauerte nicht lange, bis Luke genügend Kraft gesammelt hatte, um seine mentalen Schilde zu stärken, und den Schmerz im Zaum halten konnte, während er gegen die immer noch drohende Bewusstlosigkeit ankämpfte.

Als Luke die Augen aufschlug, blickte er direkt in Maras blasses, besorgtes Gesicht. Hinter ihr erkannte er schemenhaft die Gestalten einiger anderer Meister, die sich halb über ihn gebeugt hatten, und am Rande seines Gesichtsfeldes schwangen Strähnen von Jacens langem, dunklen Haar. Er zwang sich, die Muskeln in seinem Brustkorb zu entspannen, und tat einen zittrigen, vorsichtigen Atemzug. Der Schmerz schwand zusehends, ging zurück in das Nichts, aus dem er gekommen war.
/Luke?/
/Es geht schon wieder/ beruhigte er seine Frau rasch, dankbar, dass sie ihn nicht laut angesprochen hatte. Er glaubte nicht, bereits wieder genug Atem zu haben, um sprechen zu können. Seine Kehle war trocken und brannte.
/Was war ‚es' überhaupt? - Und nichts da. Cilghal hat bereits die Krankenstation verständigt./
/Mara.../

"Verzeihung."
Cilghal winkte in jenem Moment zwei hereinstürmenden Heilern und schaffte sich resolut einen Weg durch die übrigen Ratsmitglieder. Mara rückte widerwillig etwas zur Seite, während die Mon Calamari sich leise mit Jacen beriet. Dieser nickte einem der Heiler zu und gemeinsam halfen sie Luke auf die Beine.
Der Meister stellte fest, dass der Schmerz zwar verschwunden, aber doch eine leichte Schwäche geblieben war; so musste er sich tatsächlich schwer auf seinen Neffen und den Jedi stützen, die ihn langsam zur Krankenstation geleiteten.

°°°

Coruscant, Jedi Tempel, Krankenstation

"Ich schiebe diesen Vorfall in dieselbe Kategorie, in die auch verschwindende Balken gehören. Ich bin ratlos, muss ich sagen", erklärte Jacen seiner Tante etwa drei Stunden später leise.
Neben ihm nickte Cilghal bekräftigend.
"Es gibt keine körperliche Ursache für den Schmerz, den Meister Skywalker beschrieben hat, genauso wenig wie für den folgenden Zusammenbruch. Er wies oder weißt alle Symptome auf, die eine schwere Lichtschwertwunde mit anschließendem Koma, Heilungstrance und leichter, vielleicht altersbedingter Schwäche im Heilungsprozess hervorruft, ohne eine solche Wunde überhaupt zu haben."
"Allerdings..."

"Allerdings?", hakte Mara Jade beunruhigt nach und warf durch die Scheibe neben ihr einen Blick auf Luke, der dort im Bett lag und mit stoischer Jedi-Meister-Geduld weitere Untersuchungen über sich ergehen ließ.
"Nun...", begann Jacen stirnrunzelnd, folgte ihrem Blick und suchte die richtigen Worte. "Meister Skywalker weist an der beschriebenen Stelle eine Narbe auf."
"Das tat er heute morgen noch nicht", stellte Mara mit Nachdruck fest, nachdem sie sich von einem Moment der Überraschung erholt hatte.
"Ich weiß, Meister Jade Skywalker." Jacen zuckte hilflos mit den Schultern.
"Und wo vermutest du den Zusammenhang zwischen dieser Narbe und den anderen... Vorfällen?" Erneutes Schulterzucken. "Nur eine Ahnung. Und ich weiß, dass Meister Skywalker ähnliches vermutet."

Mara nickte halbherzig, schob sich an einem Droiden vorbei und betrat den kleinen Untersuchungsraum.
"Eines steht fest", murmelte sie, als sie sich auf Lukes Bettkante niederließ. "Mit dir wird es nie langweilig. Wenn du dich mit niemandem herumschlägst, schlägst du dich halt mit dünner Luft herum."
In Lukes Augen funkelte es und für einen Moment verschwand sein Unmut angesichts der andauernden Untersuchungen. "Man tut, was man kann."

°°°

Coruscant

"Dad, dir ist schon aufgefallen, dass wir Schlagseite haben, oder?", fragte Valin Halcyon zweifelnd und klammerte sich an den Lehnen des Co-Piloten-Sessels fest.
"Sag bloß", presste Corran zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Hände flogen über die Armaturen des Shuttles.
"Dir ist auch aufgefallen, dass wir direkt auf ein Haus zuhalten, oder?"
Corran ließ sich nicht zu einer Antwort herab. Er fluchte und malträtierte die Steuerung, mit mäßigem Erfolg.
"Was bei allen Höllen ist hier los? Valin, was für einen Schrott hast du gekauft?"
"Die Ersatzteile waren einwandfrei!", verteidigte sich sein Sohn, während er fast aus dem Sessel rutschte, als Corran das Shuttle in eine steile Kurve zog, um dem Gebäude auszuweichen. Der Jedi-Meister wagte es, einen Blick aus dem Seitenfenster zu werfen, ehe er sich wieder auf seine schwankende Flugbahn konzentrierte. "Kümmere dich mal um die Security."

Just in diesem Moment kam eine Warnung herein, an der nächsten Plattform anzudocken und Identifikationen bereit zu halten.
Valin legte einen Schalter um und überlegte, was er sagen sollte.
"Hier ist die Naboo II, Jedi-Ritter Valin Halcyon. Unsere Steuerung reagiert kaum noch, wir haben keine Kontrolle mehr über das Shuttle und versuchen den Hangar des Jedi-Tempels zu erreichen, um - Dad!"
"Ich weiß, ich weiß!", rief Corran zurück. "Whistler! Umkehrschub!"
Der Astromech pfiff panisch und sauste von einer Ecke des Cockpits in die andere.
"... um dort eine halbwegs kontrollierte Bruchlandung durchzuführen", beendete Valin mit kaum kontrollierter Stimme den Satz.

Nach einigen Sekunden knackte es in den Lautsprechern.
"In Ordnung, Naboo II. Wir geben Euch Geleit. Und versucht, nicht irgendwelche Gebäudeteile auf dem Weg mitzunehmen."
Valin lachte gezwungen. "Danke. Naboo II aus - Dad!"
"Glaubst du, dass ich blind bin?"
"Noch zwei Minuten, in zwei Minuten sind wir im Tempel...", murmelte Valin und tippte eine Frequenz ein. "Tempelkontrolle, hier Naboo II. Bitte kommen."
"Tempelkontrolle hier. Naboo II, was ist bei euch los?"
Valin seufzte vor Erleichterung, als die Stimme eines Jedi aus den Lautsprechern klang. Wäre er mit einem Droiden verbunden worden, müssten sie wahrscheinlich noch tagelang im Kreis fliegen, ehe sie die Erlaubnis für ihren Plan bekämen.

"Wir haben keine Kontrolle mehr über unser Shuttle und brauchen genug Platz für eine Bruchlandung."
Für einige Sekunden rauschte es nur leise.
"Der Hangar der Skywalkers ist ziemlich leer. Solange ihr keine Schäden an der Jadeschwert hinterlasst, dürfte das in Ordnung gehen. Wir schicken euch ein Med-Team und technisches Personal dorthin."
"Wir werden uns hüten. Jade lässt uns jeden Kratzer von Hand aufpolieren", murmelte Corran und änderte den Kurs, um einem Frachter auszuweichen.
"Danke, Tempelkontrolle. Naboo II aus - Dad!"
"Ich bin auch nicht taub, Valin!"

"Schon gut, schon gut...", murmelte der Sohn beschwichtigend und seufzte erleichtert, als der Jedi Tempel in Sicht kam. Der nach klassisch alderaanischer Architektur errichtete Bau hob sich mit seinen eleganten Formen krass von denen auf Nützlichkeit ausgelegten Gebäuden in der Umgebung ab und war schon von Weitem sichtbar. Valin bemerkte, dass soeben der Luftverkehr um den Tempel umgeleitet wurde, wahrscheinlich auf Veranlassung der Tempelkontrolle, damit niemand in die unvorhersehbare Flugbahn der Naboo II geriet.

"Uhm, der Hangar liegt weiter oben, Dad. Und zwar an der linken Seite."
"Sag das diesem Schrotthaufen von einem Shuttle."
Corran flog im Kreis einmal um den Tempel herum, wich dem schlanken mittleren Turm aus und steuerte einen der vier kleineren an. Ein kleines erleuchtetes Rechteck markierte den Hangar, der tatsächlich verhältnismäßig leer war, abgesehen von der Jadeschwert und dem kleinen X-Wing in der hinteren Ecke.
"Halt dich fest."
"Was glaubst du, was ich tue?"
"Ich meinte nicht dich, sondern Whistler."
"Deine Sorge um meine Gesundheit ist wirklich herzerweichend."

Der Moment, in dem die Naboo II auf dem Boden des Hangars aufprallte, presste Valin die Luft aus den Lungen. Mit einem ohrenbetäubenden Quietschen und nicht unerheblichem Funkenschlag rutschte das Shuttle noch einige Meter weit, ehe es kreischend zum Stillstand kam - etwa eine Hand breit von der Jadeschwert entfernt.
Corran wedelte etwas Rauch beiseite und begutachtete sein Werk.
"Das war knapp", kommentierte Valin zittrig und löste seine Hände sehr langsam von den Sessellehnen.
"So etwas nennt man Talent, Valin." Corran stand auf, stellte Whistler aufrecht hin und versetzte der verzogenen Luke einen Tritt.
Während er sich den Staub von der Kleidung klopfte, sah er sich im Hangar um. Lange dunkle Kratzer zierten den Boden, ein Kontrollpaneel war nur noch ein rauchendes Etwas in der Wand, aber ansonsten schien nichts beschädigt zu sein. Abgesehen von der großen, ziemlich unförmigen Masse, die bis vor kurzem noch ein tempeleigenes Shuttle gewesen war.

Hinter der Naboo II, auf der anderen Seite des Hangars, landete gerade ein winziges Shuttle namens Aurora Coriolis ohne einen Laut auf seinem Platz. Kurz darauf schlenderte Ben Skywalker die Rampe hinab, Allana Solo und die Fel-Zwillinge, Jaina Solo Fels Kinder, im Schlepptau. Er musterte den Szene, die sich ihnen bot, bevor er auf Corran zuging.
"Meister Halcyon", grüßte er mit einer Verneigung und nickte Valin lächelnd zu. Die Kinder taten es ihm gleich, was Corrans Laune sichtlich hob.
"Der Schrott, den Valin gekauft hat, hat uns beinahe den Hals gekostet", meinte er als Erklärung und begann, die Außenhülle des Shuttles aufzuschrauben. Die Fel-Zwillinge, technikversessen wie sie waren, hefteten sich sofort an seine Fersen, während Allana sich entschuldigte und Ben dem eintreffenden medizinischen Team zuwinkte, dass alles in Ordnung sei. Kurz darauf gesellten sich noch einige Techniker zu Corran.

Ben tätschelte Whistler beruhigend, während der Astromech ihm kläglich von dem furchtbaren Flug berichtete, und hörte sich mit leichtem Amüsement Valins Beteuerungen an, dass die gekauften Ersatzteile einwandfrei gewesen seien.
Er merkte erst auf, als das Gerede der Techniker, Corrans und der Zwillinge plötzlich verstummte.

Wird fortgesetzt...

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