Sand der Zeit

Der zweite Monat

Kapitel 8: Staub zu Staub

Coruscant, Jedi Tempel, Hangar 7

"Siman, Simé, ihr zwei geht jetzt bitte zurück in die Krippe. Ich werde gleich nachkommen", schickte Ben die Fel-Zwillinge weg. Die beiden verzogen zwar das Gesicht und murmelten etwas Unverständliches, verschwanden aber dennoch aus dem Hangar.
"Und es wird nicht gelauscht!", rief Ben ihnen nach, ehe er an Corran herantrat.
Dieser grinste süffisant. "Ben Skywalker, Jedi-Ritter und Super-Nanny. Damit könntest du eine Menge Geld machen, wenn du's richtig vermarktest."
"Ich habe genug zu tun mit dieser Rasselbande, danke auch. Darf man erfahren, was Ihr gefunden habt, Sir?"
"Nichts." Corran beäugte seinen Sohn mit einer Mischung aus leisem Ärger und Verwirrung.
Ben hob eine Augenbraue. "Nichts, Meister Halcyon?"
Corran seufzte. "Nichts. An der Stelle, wo das vermeintliche unbrauchbare Steuerelement sein sollte, ist nichts. Valin, du bist dir sicher, dass du es eingebaut hast, oder?"
"Natürlich, Meister Halcyon." Sein Sohn wechselte unbewusst zur förmlichen Anrede, wie die meisten Kinder von Rittern und Meistern es in Gegenwart anderer Jedi zu tun pflegten.

Corran murmelte etwas, das sich stark nach einem nicht jugendfreien Fluch anhörte, und begutachtete noch einmal das Shuttle. Ben meldete sich stirnrunzelnd zu Wort.
"Meister Halcyon, vielleicht sollten wir das Shuttle in den Haupthangar schleppen lassen", schlug er mit einem Blick auf das Chronometer vor.
"Ja... ich bezweifle, dass dieAbendstern und die Vaterherz hier noch hereinpassen", schätzte Valin und blickte sich um. Einige Einzelteile aus der Hülle der Naboo II waren ziemlich weit geflogen.
Corran nickte abwesend. "Und ich bin mir sicher, dass Jacen sich sehr für die verschwundenen Einzelteile dieses Schrotthaufens interessieren wird."

Einer der Techniker sah angesichts seiner Wortwahl auf.
"Es ist nur halb so schlimm, wie es aussieht, Meister Horn. In zehn Tagen ist es wieder einsatzbereit."
"Gut zu wissen. Und ich gehe zur Zeit wieder unter Halcyon."
"Ah, Verzeihung, Sir."
Der Corellianer winkte ab. "Kein Problem", grummelte er. "Ich verstehe sowieso nicht recht, was damit bezweckt werden soll."
"Ich glaube, es nennt sich ‚Wiederbelebung der Traditionen des Alten Ordens' oder so ähnlich", schaltete Ben sich belustigt ein.
"Mich stört es wenig", bemerkte Valin. "Ganz im Gegenteil."
"Mich würde es auch nicht stören, wenn wir es einfach dabei belassen könnten. Aber nein, wir müssen ja alle paar Monate zwischen Horn und Halcyon hin und her springen. Wenigstens eine zusätzliche ID hätten sie uns zugestehen können. Ich bin es leid, irgendwelchen Sicherheitsleuten unsere Familiengeschichte zu erzählen. Und außerdem..."

Corrans missmutige Stimme verschwand langsam in den Innereien des Schiffes, als sich der Jedi-Meister zusammen mit den Technikern an die gröbsten Reparaturen machte, die nötig waren, um das Shuttle in den Haupthangar zu schleppen.

°°°

Coruscant, Manari Gebirge, irgendwo

"Bist du dir sicher, dass du die richtigen Koordinaten bekommen hast, Jacen?"
"Ja, Jaina, ich bin mir sicher", erwiderte er halbherzig und überprüfte den Navigationscomputer zum dritten Mal. "R2?" Der Astromech piepste eine Zustimmung. "Na bitte."
Jacen landete die Vaterherz auf einem ebenen Stück Land und öffnete die Rampe. Zusammen mit Jaina, R2 und einem guten Dutzend Jedi verließ er die Yacht und blickte sich um.
"Jasa, hier ist nichts."
"Das sehe ich."
"Hier sollte aber etwas sein."
"Das weiß ich."
"Also?"
"Wir suchen."

Jacen drehte sich resolut zu den Jedi um. "Nach allem, was wir wissen, sollte sich hier eine prä-imperiale Villa befinden, inklusive Gartenanlage und Landeplattform. Das Gebäude ist nach dem Fall des Imperiums verlassen worden und wurde als Quelle für Baustoffe benutzt. Unter anderem stammte der verschwundene Balken aus dem Trainingsraum im Südflügel aus dieser Villa..."
"... die nicht hier ist", warf Jaina leise ein.
"... die nicht hier ist", wiederholte Jacen.
/Nicht hier?/ überlegte er. Irgend etwas sagte ihm, dass es wohl eher ‚Nicht mehr hier' heißen sollte. Oder vielleicht doch ‚Niemals hier gewesen'?
"Es besteht natürlich die, zugegeben unwahrscheinliche, Möglichkeit, dass wir die falschen Koordinaten erhalten haben. Wir teilen uns in Gruppen auf und suchen die nähere Umgebung ab. Achtet auf alles, auf physische Anzeichen im Fels wie auch auf Unregelmäßigkeiten in der Macht."

Jaina Solo Fel beobachtete, wie die Jedi in den umliegenden Schatten verschwanden, fühlte, wie sie ihre Sinne ausstreckten.
"Du glaubst nicht, dass wir die falschen Koordinaten bekommen haben", stellte sie fest.
Jacen nickte langsam.
Lowbacca knurrte leise und drehte sich um seine eigene Achse. Plötzlich bellte er überrascht und lief los.
"Was hast du gefunden? Lowie?"

"Ich spüre es auch...", murmelte Jacen, während er dem Wookie langsamer folgte. "Jaya, du nicht?"
"Doch. Aber was ist es?", fragte seine Schwester und starrte intensiv auf den Staub zu ihren Füßen. Sie fuhr mit einem Stiefel über den Boden, wirbelte ihn auf.
Die Macht sang.
Die Zwillinge blickten sich an.
"Das Gebäude ist hier." Jacen blickte sich um. Überall lag der Staub über dem Gestein, teilweise knöcheltief. "Oder das, was davon übrig ist." Er ging in die Hocke und griff nach einer handvoll Staub, beobachtete, wie er sich vor seinen Augen in Luft auflöste, genau so, wie es mit dem Balken geschehen war. "Zumindest wissen wir jetzt, was mit dieser Strebe passiert ist."
"Dafür müssen wir herausfinden, warum die Villa verschwunden ist."
"Jaya, insgeheim habe ich nichts anderes erwartet."

°°°

Coruscant-System, Orbit über Coruscant

Mara Jade brachte die Abendstern routiniert aus dem Hyperraum und ließ sich von der planetaren Kontrolle in die nächste Warteschleife einweisen. Sie schaltete auf Autopilot, lehnte sich im Pilotensessel zurück und streckte ihre Machtsinne aus.
Sofort fühlte sie Luke, der sich im winzigen rückwärtigen Bereich des Shuttles aufhielt, versunken in eine Meditation, die tiefer war als alles, was Mara bis dahin gekannt hatte. Fast schien es, als wäre sein Geist nicht mehr ein Teil seines Körpers, sondern bereits eins mit der Macht. Die Jedi-Meisterin wusste es jedoch besser, als dass sie sich Sorgen darum machte. Bei Luke konnte selbst sie nicht immer sicher sein, woran sie war.
So wie vor einer Woche, bei seinem unerwarteten und immer noch unerklärlichen Zusammenbruch.

"Es ist erneut geschehen. Ich weiß noch nicht, was genau passiert ist, aber ich konnte fühlen, dass sich etwas verändert hat", sagte Luke auf einer anderen Ebene des Seins soeben zum Ewigen Rat und erntete besorgte Blicke. "Und nein, ich selbst bin nicht davon betroffen", setzte er mit dem leisesten Hauch von Resignation hinzu.
Qel-Droma grinste.
"Verzeiht, falls wir Euch belästigen, aber Ihr könnt es uns nicht übel nehmen", stellte er gerade heraus fest.
"Durchaus nicht, Ulic." Auch Luke musste schmunzeln, ehe er sich selbst zur Ordnung rief.

"Im Übrigen bin ich überaus dankbar für die Möglichkeit, dass Ihr mit der Letzten Heimat in Verbindung bleiben könnt. Falls etwas geschehen sollte, werden wir es dadurch hier viel schneller bemerken. Und wir können den Sith, die dahinter stecken, mit dieser Verbindung einen Strich durch die Rechnung machen."
Yoda gluckste. "Das, von Anfang an meine Idee hinter meinem Vorschlag gewesen ist, Meister Qel-Droma."
Luke nickte mit einem Lächeln zu seinem früheren Meister und kam Ulics nächstem Kommentar zuvor. "Das heißt nicht, dass ich gedenke, nachlässig zu werden", stellte er fest. "Ich lege es gewiss nicht darauf an, zu sterben oder gefangen genommen zu werden."
"Im zweiten Fall würde Euch Eure Verbindung in die Letzte Heimat auch nichts nützen", seufzte Maleina.

"Wir stehen hier erst am Anfang eines sehr viel größeren Problems", fuhr Luke mit dem eigentlichen Thema fort. "Mit den Fakten, die wir bisher haben, lässt sich kein Bild der Situation erstellen. Wir brauchen mehr Zeit."
"Hmm, immer beunruhigender, dieses Rätsel wird. Luke, jemanden du bestimmen solltest, der sorgfältig sich befasst, mit allen Unregelmäßigkeiten", meinte Yoda nachdenklich.
"Mein Neffe war die letzten Wochen über damit beschäftigt, sämtliche verfügbaren Informationen zusammenzutragen. Er wird diese Aufgabe übernehmen", stimmte der frühere Padawan zu. "Ich glaube, er hat den Beginn der Veränderungen noch eher bemerkt als ich, und er wird sicherlich erfolgreich sein."

°°°

Coruscant, Jedi-Tempel, Hangar 7

"Sithbrut! Was, bei der Macht, ist hier passiert!?", hallte Mara Jades Stimme durch den Hangar. Hinter ihr trat Luke stirnrunzelnd die Rampe hinunter und begutachtete ebenfalls die Schrammen auf dem sonst so makellosen Boden. Unterdessen musterte Mara die Umgebung mit Adleraugen. "Und welcher Idiot hat Kratzer an mein Schiff gemacht? - Ben Skywalker!"
"Ich bin unschuldig, Mutter!", verteidigte Ben sich, eilte hastig von der Jadeschwert zu seinen Eltern herüber und grüßte diese mit einer knappen Verbeugung.

"Was ist passiert, Ben?", fragte sein Vater, obwohl ein kleiner Teil von ihm ahnte, was hinter den Schäden steckte.
"Das würde ich ebenfalls gerne wissen."
Auch Jacen Solo trat nun zu ihnen. Hinter ihm deaktivierte Jaina den Antrieb der Vaterherz.
Ben zögerte nur einen kurzen Augenblick lang.
"Ich denke, dass sollte Meister Halcyon Euch lieber erklären, Meister. Er ist im Hangar 2... und er ist nicht sehr gut gelaunt", fügte er mit einem leichten Grinsen hinzu.

°°°

Coruscant, Jedi-Tempel, Hangar 2

"Siman! Simé! Hatte ich euch nicht gesagt, dass nicht gelauscht wird? - Nein, sagt nichts. Ich weiß, dass ich es euch gesagt habe. Fort mit euch!"
Die beiden schienen protestieren zu wollen, bemerkten aber, wie ihre Mutter sich zu ihnen umdrehte und ihnen den patentierten Blick gab. Niemand widersprach einer Mutter, die einen solchen Blick beherrschte. Schon gar nicht, wenn sie Jaina Solo Fel hieß.
Murrend verschwanden die Zwillinge im nächsten Aufzug und Ben, der seiner älteren Cousine erleichtert zunickte, beeilte sich, wieder zu der kleinen Gruppe aufzuschließen, die gerade neugierig in den zweiten Haupthangar des Tempels trat.

"Corran?"
"Meister Skywalker, Jacen", brummte der Corellianer und nickte den anderen zu.
"CorSec, was, bei allen Höllen, habt Ihr mit meinem Schiff gemacht?"
Corran zuckte leicht zusammen und sein Gesichtsausdruck wurde noch missmutiger, falls das möglich war.
"Ihr könnt froh sein, dass es nur von umherfliegenden Teilen getroffen wurde und nicht von diesem Schrotthaufen da hinten. Aber ich denke, dass sollte Ritter Halcyon Euch lieber erklären, Mara. Valin! - Jacen, das wird Euch besonders interessieren."

Valin kam von den Überresten der Naboo II herüber, offensichtlich alles andere als begeistert und ein bisschen blässlich um die Nase, doch zu sehr Jedi, um sich seine Gefühle anderweitig anmerken zu lassen. Er wand sich unter dem Blick seines Vaters, ehe er auf Jacens Aufforderung hin zu berichten begann.
Nachdem er seine Erzählung beendet hatte, herrschte kurzes Schweigen.
"Du polierst jeden Kratzer von Hand auf, Valin. Bis morgen früh."
Der Ritter schluckte, wusste es jedoch besser, als dass er Mara widersprochen hätte.

Luke sah derweil Corran nachdenklich an, bemerkte, wie der Corellianer ebenso im Geiste alle möglichen Ursachen durchspielte und analysierte.
. Kontrolliert bei allen anderen Schiffen, ob ähnliches aufgetreten ist. Jacen", bedeutete er seinem Neffen, ihm zu folgen, und verließ mit einem letzten Blick zu seiner Frau den Hangar.

Mara Jade Skywalker sah den beiden stirnrunzelnd hinterher.

°°°

Coruscant, Jedi-Tempel, Ratsgemächer

"Was habt ihr gefunden, Jacen?"
Luke ließ sich auf seinem Platz in der ansonsten leeren Ratskammer nieder und sah seinen ehemaligen Padawan appellierend an. Dieser blieb in angemessenem Abstand zu ihm stehen und formulierte seine Gedanken sorgfältig vor.
"Ein weiteres Rätsel, Meister", begann er letztendlich und erzählte vom singenden Staub dort, wo die Villa hätte sein sollen. "Warum geschieht dies? Warum verschwinden Dinge einfach, während Erinnerungen auftauchen?", fragte er anschließend hilflos.

"Ich weiß es nicht", erwiderte der Meister und lehnte sich zurück. Er taxierte den jüngeren Jedi. "Aber ich will, dass du weiterhin an einer Lösung arbeitest. Wir müssen herausfinden, was es damit auf sich hat, bevor noch schlimmere Dinge geschehen. Suche dir jemanden, der dir währenddessen mit deiner Arbeit als Ratsmeister aushilft, und halte mich auf dem Laufenden."
"Wie Ihr wünscht."
"Schicke Lowbacca zusammen mit Allana zurück nach Calja. Sie sollen den beiden Jedi der Alten Republik in meinem Namen eine Einladung nach Coruscant überbringen."

Jacen setzte auch diesen Punkt auf seine mentale Notizliste.
"Ich werde Ben bitten, mir zu helfen", überlegte er leise. "Ein bisschen ordenspolitische Arbeit wird ihm ganz gut tun."
"Er wird wenig begeistert davon sein", schmunzelte Luke.
"Wenn Allana weg ist, hat er ein Kind weniger, um das er sich kümmern muss, also kann er ein bisschen Zeit erübrigen, um seinem alten Meister etwas unter die Arme zu greifen."
"Ja."

Jacen musterte seinen Onkel mit einem Hauch Besorgnis.
"Meister?", fragte er schließlich leise, kniete sich neben seinen Sessel und berührte vorsichtig seinen Arm.
Luke wirkte unglaublich müde. Als er seinen Neffen ansah, schien tiefe Traurigkeit durch seine Augen. "Jacen... ich muss dich um etwas bitten."
"Natürlich."
"Wenn wir nicht herausfinden, was es mit alledem auf sich hat, wird diese Situation schon sehr bald eskalieren. Ich spüre, dass etwas geschehen wird, Jacen, und falls mir etwas zustoßen sollte, möchte ich, dass du weißt, was zu tun ist."

Er schnitt dem Jüngeren, der protestierend auffahren wollte, mit einer scharfen Geste das Wort ab. "Ich will, dass du in diesem Fall den Ewigen Rat kontaktierst. Ich weiß, dass du es schaffen wirst, falls es nötig werden sollte. Aber nur dann."
Sein Neffe blickte zerstreut zu Boden. "Ihr wisst, dass Euch etwas geschehen wird, nicht wahr?"
"Ja", gab Luke seufzend zu. "Ich weiß nur nicht, was. Es könnte alles sein... bitte, mach dir keine Sorgen. Die Zukunft ist immer in Bewegung, und selbst die mächtigsten Jedi vermögen es nicht, sie genau vorherzusagen. Ich will nur nicht, dass du im Falle eines Falles hilflos vor einem Problem stehst." Er musterte seinen ehemaligen Padawan. "Je schneller du hinter das Rätsel kommst, desto weniger haben wir alle zu befürchten. Aber lass es nicht an Sorgfalt mangeln. Ich habe vollstes Vertrauen dazu, dass du eine Lösung finden wirst, Jacen."

Wird fortgesetzt...

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