Sand der Zeit

Der zweite Monat

Kapitel 9: Unruhe

Coruscant, Jedi Tempel, Hangar 2

"Lowbacca?"
Lowbacca blieb erstaunt stehen und drehte sich um, als er die vertraute Stimme hinter sich vernahm.
"Meister Skywalker", grüßte er in der Sprache der Wookies. "Ich hatte Euch nicht erwartet."
Luke lächelte. "Ich werde dich nicht lange aufhalten, Lowie, keine Sorge", erwiderte er, wusste er doch, wie neugierig der Meister darauf war, nach Calja zurückzukehren. "Ich wollte dich nur darauf hinweisen, bei deiner Mission äußerste Vorsicht walten zu lassen", fügte er sehr ernst hinzu.

Lowbacca legte den Kopf schief. "Wir überbringen nur Eure Einladung, Meister...", begann er. "Eine Vision, Sir?"
Luke schüttelte den Kopf. "Nur ein schlechtes Gefühl, um ehrlich zu sein", erklärte er langsam. "Ein sehr schlechtes Gefühl, fast schon eine Vorahnung. Haltet nach Dunklen Jedi Ausschau, Lowie."
"Glaubt Ihr, sie werden uns behindern? Verzeiht, wenn ich es so formuliere, aber bislang haben sie nicht das geringste Interesse an jemand anderem außer Euch gezeigt."
"Ich fürchte schon", sagte Luke leise. "Ich werde dir erklären, was ich dies bezüglich vermute, sobald ihr sicher zurück seid. Bis dahin werde ich Gewissheit über ihre Motive haben, das spüre ich... Sei vorsichtig, Meister Lowbacca, und pass auf deinen Padawan auf."

"Das werde ich. Ihr aber auch, Meister; ich würde nur ungern zurückkehren und hören, dass einer dieser Anschläge erfolgreich gewesen ist."
Allana schaute fragenden Blickes aus der offenen Luke des Schiffs.
"Meister Skywalker." Sie verbeugte sich.
"Padawan Solo", meinte Luke und fuhr an den Meister gewandt fort: "Ich wiederhole mich nur ungern. Möge die Macht mit Euch sein."
"Und mit Euch, Meister." Lowbacca neigte den Kopf und scheuchte seine Schülerin ins Innere des Schiffes zurück, ein Shuttle namens Naboo IV, ehe er ihr mit einem letzten besorgten Blick folgte.
"Immer", wisperte Luke, während das Shuttle startete und den in einem der Türme gelegenen zweiten Hangar verließ.

Mara Jade stand mit verschränkten Armen und stechendem Blick im Wohnzimmer, als er wenig später sein Apartment betrat. Sie trug nur helle Hosen und eine weite Tunika, das leuchtend rot-goldene Haar fiel noch nass über ihre Schultern und ihr Gesicht war gerötet von der heißen Dusche. Sie roch exotisch, wie die wilden Blumen Yavins.
Sie schnaubte herablassend und schlang ihre Arme um seinen Nacken. "Werde nicht sentimental, Bauernjunge."
"Und warum nicht?", fragte er leise und küsste sie sacht auf die Lippen.

Sie seufzte. "Du musst in zwei Stunden im Senat sein. Verhandlungen mit den Bothanern, falls du es vergessen hast. Ich habe dir was zum Anziehen herausgelegt."
"Danke", murmelte er.
"Jacen kommt in einer Stunde vorbei, um dich abzuholen und dich zu den Halcyons zu bringen. Corran begleitet dich dann zum Senat", fügte sie wie beiläufig hinzu, doch mit einem Glitzern in den Augen, das Widerspruch wie eine sehr schlechte Idee erscheinen ließ.

°°°

Coruscant, Jedi Tempel, Skywalker Apartment

Jacen klopfte pünktlich auf die Minute an der Apartmenttür der Skywalkers mit dem Gedanken, dass er das nächste Mal besser den Mund halten sollte. Nach dem, was ihm vor einiger Zeit widerfahren war, war er sich auf einmal nicht mehr so sicher, ob er der Gruppe aus Jedi angehören wollte, die Meister Skywalker auf Schritt und Tritt begleiteten.
Er nickte Ben Skywalker zu, der ihm die Tür öffnete, und fragte vorsichtshalber: "Meister Skywalker ist noch da, oder?"
Ben lächelte leicht, ein Funkeln in den Augen. "Da? Ja. Anwesend? Eine Frage des ... uhm, Standpunktes", meinte er und winkte ihn mit einer leichten Verbeugung hinein. Verwirrt folgte der junge Meister seinem ehemaligen Padawan durch den Korridor ins Wohnzimmer.

"Guten Abend, Jacen."
"Euch auch, Meister Jade Skywalker", grüßte der Angesprochene zurück, als er über die Schwelle trat, und wollte soeben fragen, wo ihr Ehemann sei, als etwas Weiches, wie Stoff, seine Haare streifte. Wenig verwundert sah er auf.
Luke trug einen Ausdruck vollkommener Ruhe, fast schon seliger Heiterkeit auf dem Gesicht; die Beine waren in üblicher Meditationspose zum Schneidersitz verschränkt, die Augen geschlossen, während er wie selbstverständlich etwa zwei Meter über dem Boden durch das Apartment schwebte. Seine eleganten dunkelgrauen und creme-weißen Roben schwangen leicht unter ihm, während er auf keinem vorbestimmten Weg in die andere Ecke des Raumes flog.

"Wie gesagt...", murmelte Ben und warf sich der Länge nach auf die Couch.
Mara Jade lachte leise, ehe sie den Kopf wieder nach oben drehte. "Aufwachen, Bauernjunge!", rief sie.
Lukes Augen öffneten sich sofort und er fiel wie ein Stein zu Boden, landete sicher auf beiden Beinen. Er streckte sich leicht; vielleicht war es nur Einbildung, aber er wirkte ausgeruhter als in den Tagen zuvor.
"Jacen."
"Meister", entgegnete der Angesprochene respektvoll.
"Ihr solltet euch beeilen, die Bothaner werden bestimmt nicht angenehmer davon, dass ihr sie warten lasst", bemerkte Mara Jade und versetzte ihrem Sohn, der schadenfroh dreinblickte, einen spielerischen leichten Schlag auf den rot-golden gelockten Hinterkopf.

"So, Skywalker, kannst du dich sehen lassen", sagte sie zufrieden, nachdem Luke sich einen passenden, sehr hellen Mantel übergestreift und sie einige Falten zurecht gerückt hatte. "Und jetzt raus hier!" Sie warf Jacen einen bedeutungsvollen Blick zu, den der Jedi-Meister unbehaglich erwiderte.
Er ertappte sich dabei, wie er erleichtert ausatmete, als sich die Apartmenttür hinter ihm und Meister Skywalker geschlossen hatte. Luke gluckste leise und schüttelte leicht den Kopf, als Jacen sich hastig entschuldigen wollte.
"Du solltest sie nicht immer so ernst nehmen", beruhigte er seinen Neffen schmunzelnd.
"Wenn ich sie nicht ernst nehme, werde ich das bitter bereuen. Nicht, dass ich Angst vor ihr hätte, aber...", erwiderte der Angesprochene, doch Lukes erhobene Hand gebot ihm Schweigen. Der Meister lächelte.
"Es besteht ein Unterschied zwischen Furcht... und Furcht vor Mara Jade, Jacen. Sie vermag es, diesen Begriff auf eine gänzlich neue Stufe zu erheben... denk nicht weiter darüber nach", schloss er gut gelaunt und offensichtlich überhaupt nicht besorgt, als sie den Haupthangar 2 betraten.

Luke nahm widerwillig auf dem Sitz des Co-Piloten Platz und beobachtete still, wie Jacen zwar sicher, aber noch nicht so routiniert wie manch anderer die Kontrollen der wieder Instand gesetzten Naboo II bediente, sich die Starterlaubnis der Tempelkontrolle einholte und schließlich in Richtung des Senats flog.

°°°

Coruscant, Halcyon/Horn Apartment

"Mach nicht so ein Gesicht, Corran", brummte Mirax Terrik Halcyon genervt, als ihr Ehemann das Wohnzimmer betrat und mehr als missmutig am dunkelbraunen Kragen seiner Robe zupfte - wie schon seit einer halben Stunde.
Corran runzelte die Stirn. "Ist es so schwer verständlich, dass ich nicht gerne zu Verhandlungen gehe, die mit Bothanern zu tun haben?", fragte er, sich unangenehm an Borsk Fey'lya erinnernd. "Jeder Einzelne von ihnen scheint es sich als Lebensziel gesetzt zu haben, mir den letzten Nerv zu rauben."

Mirax hob eine Augenbraue. "Du weißt schon, dass sehr, sehr viele Leute das auch von Corellianern im Allgemeinen und dir im Speziellen sagen?", bemerkte sie beiläufig und ohne von ihrem Datenpad aufzusehen. "Und außerdem geht es hier nicht um die Bothaner, Corran, ich glaube, es geht um die Tatsache, dass du Luke begleiten wirst, obwohl er das nicht will", fügte sie hinzu.
Er schnaubte und antwortete nicht - ein sicheres Zeichen für Mirax, dass sie punktgenau ins Schwarze getroffen hatte. Gerade öffnete sie den Mund, um ihren Mann auszufragen, als es klopfte. Corran grummelte etwas Unverständliches, schnappte sich seinen Mantel und küsste Mirax flüchtig, bevor er widerwillig das Wohnzimmer verließ.
"Dir auch einen schönen Abend", rief sie ihm stirnrunzelnd hinterher.

Corran seufzte; ihm tat es Leid, dass er seine schlechte Laune ausgerechnet an ihr ausgelassen hatte.
Und jetzt auch noch das.
"Meister", grüßte er kühl. Er war sich bewusst, dass Luke ihn eingehend musterte und, obgleich er die Macht nicht nutzte, in ihm las wie in einem offenen Buch; einen Augenblick lang war er versucht zu sagen, dass er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern solle. Zu seinem Glück - obgleich es so etwas nicht gab - oder vielleicht in vollem Wissen dessen, was seinem Gegenüber auf der Zunge lag, drehte Luke sich just in diesem Moment nach einem kurzen, bedachten Nicken von ihm weg und schritt langsam den Gang entlang zum nächsten Turbolift.

/Kontrolle. Er trägt keine Schuld an deiner Laune - Kontrolle.../ schalt er sich selbst und unterdrückte ein erleichtertes Seufzen, ehe er ihm folgte.
Obgleich Luke die ruhigste Person war, die er kannte, und nicht viel Wert auf Formalitäten legte, war er sich nicht ganz sicher, wie er reagiert hätte, hätte Corran die Worte tatsächlich ausgesprochen. Herausfinden wollte er es sicherlich nicht, auch, wenn Luke seine gelegentlichen Gefühlsausbrüche meistens kommentarlos überging, weil er wusste, dass Corran niemals nach diesen Emotionen handeln würde.

°°°

Coruscant, Jedi-Tempel, Verwaltungstrakt

Jacen Solos Büro glich einem Schlachtfeld, aber das kümmerte seinen Besitzer im Moment herzlich wenig. Selbiger saß hinter einem Schreibtisch, vor sich drei Berge aus Datenchips - ‚Unbrauchbar', ‚Vielleicht nützlich' und ‚Noch mehr Rätsel' waren Jacens geistige Bezeichnungen - hinter sich Kisten und Kästen mit noch mehr Informationen, in seinem Schoß ein Datenpad, und überflog die Einträge aus den Archiven des Tempels mit einer Geschwindigkeit, die einem Droiden Konkurrenz gemacht hätte.
Mit einem Seufzen und einem Klacken landete ein weiterer Chip auf dem bis dato größten Hügelchen, ‚Unbrauchbar', brachte dort eine kleine Lawine ins Rollen und wurde auf seinem Weg zur Schreibtischkante von einem Wall aus leeren Tassen und Gläsern aufgehalten. Ab und an rollte R2 herein, mal mit weiteren Kisten, meistens mit stark koffeinhaltigen Getränken, und dudelte mitleidig.

Ein Komlink piepste und riss Jacen aus seiner ohnehin nachlassenden Konzentration.
"Solo", meldete er sich scharf und fügte leiser hinzu: "Ich hoffe für Euch, dass es wichtig ist."
"Skywalker hier, Meister", ertönte die Stimme seines ehemaligen Padawans. Als ob Ben die harsche Zurechtweisung erahnte, die seinem Meister auf der Zunge lag, fuhr er rasch fort: "Verzeiht bitte die Störung, Sir, aber könntet Ihr sofort zur Krippe kommen? Es ist wichtig."
Jacen runzelte die Stirn. Er wusste, dass Ben ihn nur um so etwas bitten würde, wenn es wirklich bedeutend war, und dass er an den Einschätzungen seines Cousins nicht zu zweifeln brauchte. Wenn Ben meinte, es wäre wichtig, dann war es auch wichtig.
"Ich bin in fünf Minuten bei dir. Solo aus."

°°°

Coruscant, Jedi-Tempel, Krippe

"Daddy!", rief Anakin Solo aufgeregt, als er seinen Vater durch eine bunt bemalte Glastür in die Krippe treten sah, riss sich von seiner persönlichen Super-Nanny los und lief auf ihn zu, so schnell seine kurzen Beinchen ihn tragen konnten.
Jacen fing seinen Sohn, als dieser gerade über seine eigenen Füße stolperte, und hob ihn in seine Arme. Während er dem kleinen Jungen durch die strubbeligen rot-braunen Haare fuhr, wandte er sich bereits ernst an Ben.
"Warum wolltest du mich sprechen?"

Ben nahm den sich windenden und giggelnden Anakin in seine eigenen Arme, setzte ihn sorgsam auf seine Füße und schickte ihn fort mit der Bemerkung, er solle doch mal nach den Plätzchen schauen, deren Duft den Raum erfüllte. Kaum war der Junge weggehüpft, als er Jacen winkte, ihm zu folgen.
"Es ist mir im ersten Moment überhaupt nicht aufgefallen, auch Meister Solusar und keinem der anderen Jedi hier. Erst, als Euer Sohn mich vorhin fragte, wo diese Ewok-Puppe wäre, mit der er so gerne spielt, habe ich bemerkt, dass etwas nicht stimmt, Meister."
Er öffnete eine Tür, die in einen kleinen Schlafsaal führte. Jacen folgte ihm stirnrunzelnd und sah sich um.
"Ich dachte, wir hätten keinen Platz mehr und müssten die Krippe ausweiten? Warum sind hier zwei Betten leer?", fragte er schließlich.

"Exakt der Punkt, auf den ich hinauswollte, mein Meister", erwiderte Ben und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass diese Betten jemals belegt gewesen sind oder wer sie hätte belegen sollen. Aber sie sind leer, obwohl wir angeblich zu wenig Platz haben... und ich wurde heute den ganzen Tag von Jünglingen gebeten, doch ihre Spielzeuge zu finden. Spielzeuge, an die ich mich zu erinnern vermag, die ich aber beim besten Willen nicht mehr finden kann." Er blickte auf. "Meister, Streben und Ersatzteile sind nicht das Einzige, was hier verschwindet."

"Sondern auch Kinder..."
Jacen schloss entsetzt die Augen und atmete einmal tief durch.
"Ben, ich rufe den Rat zusammen und ich möchte, dass du auch kommst. Sei in einer Stunde in den Ratsgemächern."
Mit diesen Worten wirbelte er auf dem Absatz herum und verließ eilig die Krippe, bereits den Komlink in der Hand und organisierend.

Wird fortgesetzt...

Zurück zu Kapitel 8 | Zurück | Weiter zu Kapitel 10